Anhaltende Hitzeperioden, Überschwemmungen und Stürme: die Folgen des Klimawandels sind immer deutlicher zu spüren – auch in Europa. Doch vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern leiden die Menschen bereits jetzt stark darunter. Investitionen in globalen Klimaschutz sind daher unumgänglich. Die Allianz für Entwicklung und Klima, initiiert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, fördert nichtstaatliches Engagement in diesem Bereich und mobilisiert zusätzliche Mittel. Denn im Kampf gegen den Klimawandel sind wir alle gefragt.
Dr. Olivia Henke und Peter Renner (Bild: ©Frank Beer)
Um das Engagement langfristig weiterzuführen und auszubauen, wurde die Allianz für Entwicklung und Klima im Oktober 2020 in eine Stiftung überführt. Die Stiftung hat ihren Sitz in Berlin und wird durch den Vorstandsvorsitzenden Peter Renner sowie die Vorständin Dr. Olivia Henke geleitet. Im Interview erläutern Renner und Henke, warum das Thema Klimaschutz von so globaler Brisanz ist, wie jeder Mensch einen Beitrag leisten kann und was sich durch die Überführung der Allianz für Entwicklung und Klima in eine Stiftung zukünftig ändern wird.
Es heißt: Wir müssen im Klimaschutz global denken – warum spielen die Entwicklungs- und Schwellenländer eine so wichtige Rolle?
Peter Renner: Zunächst sind Emissionen keine nationalen Subjekte. Es ist egal, ob die Emissionen in Düsseldorf oder Kinshasa ausgestoßen werden. Darüber hinaus erwarten wir in den Entwicklungs- und Schwellenländern in den nächsten 15 bis 30 Jahren einen deutlichen Anstieg der Bevölkerung. Wir sprechen hier von beinahe exponentiellem Wachstum. Allein in Ostafrika etwa werden in Äthiopien fast eine Viertelmilliarde Menschen leben. Diese Gesellschaften haben sowohl einen Energie- als auch einen Wohlstandsbedarf. Das bedeutet beispielsweise ein besseres Gesundheitsweisen, ein besseres Bildungswesen und mehr Arbeitsplätze. Das alles braucht Energie. Dieser Energiebedarf sollte nach Möglichkeit klimafreundlich beziehungsweise klimaneutral zur Verfügung gestellt werden.
Dr. Olivia Henke (Bild: ©Frank Beer)
Dr. Olivia Henke ist Diplom-Geographin und hat im Fachbereich Internationale Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin zum freiwilligen Kompensationsmarkt in Deutschland und den Armutswirkungen von freiwilligen Klimaschutzprojekten promoviert. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in den Themenfeldern der nachhaltigen Entwicklung, u. a. als Beraterin für Nachhaltigkeitsmanagement und in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Seit 2011 arbeitete sie als Geschäftsführerin für die gemeinnützige „Klima-Kollekte – Kirchlicher Kompensationsfonds“ und baute in dieser Funktion den CO2-Kompensationsfonds zunächst auf und weitete diesen anschließend aus, z. B. mit Gesellschafterhäusern in Österreich und der Schweiz.
Dr. Olivia Henke: Es geht außerdem darum, Verantwortung zu übernehmen. Die Industrieländer sind hauptverantwortlich für den Klimawandel, indem sie vermehrt Treibhausgase ausgestoßen haben und weiterhin ausstoßen. Die Veränderungen, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, sind in den Ländern im Globalen Süden jedoch deutlich massiver zu spüren – etwa durch die Zunahme von Stürmen, Dürren oder Wasserknappheit.
Was genau kann man sich unter der Allianz für Entwicklung und Klima vorstellen?
Dr. Olivia Henke: Die Allianz ist eine Partnerschaft verschiedener Akteure, die sich dafür einsetzen, Entwicklung und Klimaschutz zusammen zu fördern, indem sie Kompensations- und Klimaschutzprojekte in Ländern des Globalen Südens unterstützen.
Peter Renner: Die Akteure dieser Partnerschaft sind alle ein Teil unserer Gesellschaft. Das beinhaltet sowohl Privatleute und Organisationen als auch Unternehmen jeder Größe – alle, die am Ende des Tages dafür einstehen müssen, dass diese Entwicklung positiv verläuft. Wir werden das Ziel, nämlich mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen und klimaneutral zu werden, auch nur gemeinsam erreichen.
Was genau sind die Ziele der Allianz und ihrer Unterstützer?
Peter Renner: Die Allianz hat das Ziel den freiwilligen Kompensationsmarkt zu stärken und auszubauen. So soll erreicht werden, dass Klimaschutz nicht nur durch die nationale Brille betrachtet wird. Dabei stehen nicht nur die großen Emittenten in den USA, China und Indien im Fokus. Wir müssen uns vor allem auch auf die Entwicklungs- und Schwellenländer- konzentrieren. Die Menschen in diesen Gesellschaften sind heute schon in hohem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Wir sind aufgerufen hier unsere Verantwortung zu übernehmen und diese Gesellschaften bei der Bekämpfung des Klimawandels mitzunehmen. Darüber hinaus geht es um den Ausbau und die Festigung der Multi-Akteurs-Gemeinschaft – über deutsche und europäische Grenzen hinaus. Das ist auch der klare Stiftungsauftrag.
Dr. Olivia Henke: Ein wichtiges Ziel ist der ganzheitliche Ansatz, den die Allianz verfolgt. Die Ziele der globalen Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens sollen unterstützt und zusammen gedacht werden. Man hat erkannt, dass auch nichtstaatliche Akteure einen wichtigen Beitrag leisten können. Auf diese Weise können zusätzlich der wirtschaftliche und technologische Fortschritt gefördert sowie die Lebensbedingungen vor Ort verbessert werden. Nicht zuletzt geht es auch darum, Aufklärungs- und Bildungsarbeit für Entwicklung und Klimaschutz zu leisten.
Emissionshandel steht häufig in der Kritik, reiche Nationen würden sich quasi freikaufen – was unterscheidet Ihren Weg, Klimaneutralität durch Emissionszertifikate zu erreichen?
Dr. Olivia Henke: Ich teile diese Auffassung nicht. Es geht auch hier wieder darum, Verantwortung für die Emissionen zu übernehmen, die im Norden vermehrt ausgestoßen werden. Natürlich kann es nicht das alleinige Ziel sein, diese lediglich auszugleichen. Der Ansatz muss immer sein: Emissionen vermeiden, reduzieren und die Emissionen, die heute noch nicht vermieden werden können, durch Klimaschutzprojekte auszugleichen.
Nehmen wir als Beispiel eine Familie, die im ländlichen Raum in Afrika lebt und traditionell mit einem Dreisteinherd kocht. Wenn diese Familie durch ein Klimaschutzprojekt einen energieeffizienten Herd erhält, dann verbessert sich nicht nur die CO2-Bilanz. Es hat auch weitere positive Effekte für die Familie: So müssen Frauen und Kinder etwa weniger Holz sammeln, denn mit einem energieeffizienten Herd können zwischen 60 und 80 Prozent Feuerholz eingespart werden. Das bedeutet eine enorme Zeitersparnis für Frauen und Kinder. Außerdem werden Verbrennungsgefahren und Rauchentwicklung deutlich vermindert. Die lokale Umwelt wird entlastet, weil weniger Holz und damit Abholzung notwendig ist. Wenn man sich also die Wirkung dieser Projekte vor Ort anguckt, hat das meiner Ansicht nach nichts damit zu tun, sich freizukaufen, sondern tatsächlich einen positiven Beitrag zu leisten.
Peter Renner (Bild: ©Frank Beer)
Peter Renner ist Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Internationale Politik. Er bekleidet seit 20 Jahren Führungspositionen in verschiedenen Nicht-Regierungs-Organisationen. Er ist seit fast 30 Jahren in der Technischen Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit tätig und verfügt über intensive Auslandserfahrung. Seine Aufgaben haben ihn u.a. nach Osteuropa, Zentralasien und Afrika geführt. Zuletzt hat er als Vorstand einer Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit mit 640 Mitarbeitern gearbeitet. Die aktuellen Herausforderungen in der Projektarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und der Klimapolitik – hier insbesondere der Nature-based-Solutions sind ihm sehr vertraut.
Peter Renner: Genau das ist der Punkt. Es geht nicht um das Verfolgen von Dogmen. Die Vereinbarungen der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens haben einen klaren Auftrag: Wir müssen Emissionen reduzieren. Und wir werden diese Ziele, auch nach dem Jahr 2030, nicht erreichen, wenn wir die Kompensation verdammen. Die Frage darf also nicht lauten: Kompensationen – ja oder nein? Stattdessen muss sichergestellt werden, dass diese belegbar sind. Hierfür setzt sich auch die Stiftung massiv ein. Einer der Schwerpunkte unserer operativen Arbeit ist deshalb, Sorge dafür zu tragen, dass die Kompensationsprojekte engmaschig kontrolliert werden und zertifiziert sind. Durch diesen transparenten Weg ist das Argument des Ablasshandels völlig konterkariert. Nicht zuletzt erwarten auch die Partner der Allianz diese hohen Standards.
Wer kann sich bei der Allianz für Entwicklung und Klima engagieren?
Peter Renner: Jeder kann sich einbringen. Denn es geht auch jeden an. Die Allianz ist offen für Unternehmen jeder Größe, für Privatleute und gesellschaftliche Gruppierungen, wie Stiftungen, eingetragene Vereine oder Forschungsorganisationen. Alle sind dazu aufgerufen, zu unterstützen, und alle sind herzlich bei uns willkommen.
Sie sagen, Klimaschutz geht jeden an. Was antworten Sie Menschen, die sich bei der Bekämpfung des Klimawandels allein auf staatliches Handeln verlassen?
Dr. Olivia Henke: Ich denke, dass das staatliche Handeln sehr wichtig ist. Die auf den internationalen Klimakonferenzen getroffenen Vereinbarungen, für die sich auch die Bundesregierung einsetzt, spielen eine große Rolle und müssen weiter vorangetrieben werden. Darüber hinaus geht der Klimawandel aber auch jeden Einzelnen an. Das staatliche Handeln kann durch jeden einzelnen Beitrag flankiert und ergänzt werden. Dies darf gleichzeitig nicht bedeuten, die staatlichen Anstrengungen zu verringern.
Peter Renner: Das kann ich nur unterstreichen. Es ist leider eine sachlich falsche Vorstellung, dass der Staat allein den Klimawandel bekämpfen kann. Wir müssen auch die privaten Akteure, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Zivilgesellschaft, mitnehmen und dazu bringen, mitzumachen. Sonst werden wir diese riesige Herausforderung der Menschheit nicht bewerkstelligen können – das gilt gesellschaftspolitisch wie ökonomisch. Wir brauchen innovative Lösungen, sowohl national wie auch international.
Dr. Olivia Henke: Hier möchte ich noch kurz ergänzen: Ich bin seit vielen Jahren in den Bereichen der nachhaltigen Entwicklung tätig. Dabei habe ich beobachten können, dass hier in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden hat. Einerseits steigt bei den Verbrauchern die Nachfrage nach Produkten, die klimafreundlich produziert sind oder deren Fußabdruck kompensiert ist. Diese Nachfrage verändert das Handeln der Unternehmen und immer mehr wollen Verantwortung übernehmen und ihren Beitrag leisten. Andererseits nehmen auch Unternehmen ihre Verantwortung ernst und zeigen ihr Engagement. Das verdeutlicht, dass diese Entwicklung auf allen Ebenen angekommen ist. Es wird sich nicht allein auf staatliches Handeln verlassen.
Was verändert sich dadurch, dass die Allianz für Entwicklung und Klima ab sofort eine Stiftung ist?
Peter Renner: Der Träger der Allianz ist ab sofort die Stiftung mit gleichem Namen. Das heißt, es ist eine unabhängige Organisation, die von der Bundesregierung, in Gestalt des BMZ und der KfW, gestiftet wurde. Der Stiftungszweck – und damit auch der Auftrag – ist es, sicherzustellen, dass die Ziele der Allianz langfristig umgesetzt werden. Damit wird eine Organisationsstruktur geschaffen, die sicherstellt, dass die Arbeit der Allianz über die nächsten Jahrzehnte im Sinne des Stiftungszwecks fortgeführt werden kann.
Dr. Olivia Henke: Für die Unterstützerinnen und Unterstützer verändert sich akut nichts. Auf lange Sicht ist die Allianz durch die aktuelle Überführung in eine Stiftung auf ein nachhaltiges Fundament gestellt worden, welches auch für ein langfristiges Wirken angelegt worden ist.
Vielen Dank für das Gespräch!