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The Big Value Shift

Das Jahrzehnt des Zuhauses ist billionenschwer

 

Geschäftsmodelle und Konsumgewohnheiten verändern sich
(Bild: Stocksy)

Das große Umverteilen hat begonnen. Neben den bekannten Folgen der Pandemie kündigt sich für viele Branchen eine Reihe indirekter Auswirkungen in anderen Sektoren an, prognostiziert Accenture. Wer die Gewinner und Verlierer sind.

Lieferservice statt Restaurant, Wohnzimmer statt Kinosaal: Die Corona-Krise verändert, wie wir leben – und Geld ausgeben. Was das für die globalen Wertschöpfungsnetzwerke bedeutet, untersuchte der Unternehmens- und Strategieberatungskonzern Accenture. Die Studie „The Big Value Shift“ zeigt: Unser neues Konsumverhalten hat Folgen. Und zwar weit mehr als auf den ersten Blick ersichtlich.

Von vorne. Drei Trends macht Accenture aus: Wir bleiben mehr zuhause, fliegen weniger und konsumieren bewusster. „Viel spricht dafür, dass dieses Verhalten auch nach Corona unseren Konsum bestimmt“, sagt Moritz Hagenmüller, Managing Director Accenture Strategy für DACH und Russland. Daten aus über 38.000 Unternehmen sowie zu privaten Ausgaben in 15 Ländern ließen die Autoren in ein makroökonomisches Modell einfließen – und prüften mit ihm, wie die Trends Einfluss auf verschiedene Branchen nehmen. Das Ergebnis: Eine Neuordnung der Wertschöpfungsnetzwerke ist die Folge. Weltweit werden 2,7 Billionen Euro umverteilt. „Allein in Deutschland sprechen wir von 160 bis 240 Milliarden Euro“, sagt Hagenmüller.

Einige Branchen trifft das große Umverteilen unmittelbar. Andere sind erst an zweiter oder dritter Stelle, also indirekt, betroffen. Doch alle Brachen eint: Sie müssen auf die Veränderungen reagieren. „Aber: Strategisch klug und weitsichtig“, ergänzt Moritz Hagenmüller.

Trend 1: Das Geld fließt zuhause

Das eigene Zuhause erlebt eine Renaissance. Nutzer der Auktionsplattform ebay suchten beispielsweise während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 mehr als sonst nach Produkten, die die eigenen vier Wände aufhübschen, nach Betten (+ 345 Prozent), Malerfarben (+ 167 Prozent) oder Tapeten (+ 69 Prozent) etwa. Das zeigen Daten, die der Online-Händler im vergangenen Jahr veröffentlichte. „Cocooning“ – das Einigeln in den eigenen vier Wänden – ist mehr als ein Corona-Trend. Bei einer Accenture-Umfrage gaben rund drei Viertel der Befragten an, das soziale Leben in den kommenden Monaten auf das eigene Zuhause beschränken zu wollen.

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Die Folgen dessen machen mit 1,8 Billionen Euro den größten Batzen aus, die die Corona-Pandemie weltweit umshiftet. Das schmerzt vor allem den stationären Handel, der 768 Milliarden Euro verlieren würde. Aber auch im Gastgewerbe (579 Milliarden Euro), im Gewerbeimmobiliensektor (392 Milliarden Euro) und im öffentlichen Transportwesen (63 Milliarden Euro) drohen Abstriche. Ebenfalls ein großer Verlierer: das Gastgewerbe (579 Milliarden Euro). „Am Restaurant- und Hotelsektor lässt sich gut illustrieren, wie komplex die Umverteilung ist“, sagt Moritz Hagenmüller. So gebe es hier massive Effekte zweiter und dritter Ordnung. Am Beispiel: Verlieren Restaurants und Hotels (Primäreffekt), spürt das auch die Lebensmittelindustrie (Effekt zweiter Ordnung). Und das wiederum spüren ihre Lieferanten, zum Beispiel Landwirte (Effekt dritter Ordnung). Andererseits profitiert die Lebensmittelbranche auch vom Cocooning-Trend. Wer viel zuhause ist, isst viel zuhause. „Daher sprechen wir auch von Wertschöpfungsnetzwerken und nicht von Wertschöpfungsketten“, so Hagenmüller. „Alles hängt mit allem zusammen.“

Ein weiterer Gewinner des Cocooning-Trends, klar: der E-Commerce-Handel sowie Segmente, die das eigene Zuhause insgesamt lebenswerter machen, etwa Digital-Entertainment und Möbel. „Die Wertschöpfung folgt also dem Trend: Sie fließt ab aus öffentlichen, direkt in private Räume“, erklärt Moritz Hagenmüller.

Trend 2: Reisen? Ja, aber anders

Flugreisen haben schon lange ein Image-Problem: Zu schlecht sind sie fürs Klima. Während Corona kamen Reisebeschränkungen dazu – ein harter Schlag für die Flugbranche. Und auch nach Corona dürfte es für sie ungemütlich bleiben. Bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov aus 2020 gab jeder vierte der 18- bis 39-jährigen Befragten an, schon mal Flugscham erlebt zu haben. Eine Accenture-Umfrage zeigt zudem, dass allein der Gedanke, per Flugzeug zu verreisen, immer mehr Menschen ein schlechtes Gefühl gibt. Entsprechend düster die Prognose: Der Trend kostet die Branche 280 Milliarden Euro. Allein die Fluggesellschaften treffen 176 Milliarden Euro, die Flugzeugindustrie wiederum 52 Milliarden Euro.

Die indirekten Effekte zweiter und dritter Ordnung sind hierbei ebenfalls massiv. Fluglinien sind etwa ein großer Abnehmer von Treibstoff. Die Hersteller von Kerosin und Flugbenzin leiden also auch unter der Abkehr von Flugreisen (Effekt zweiter Ordnung). Und das dürfte auch die Ölindustrie treffen (Effekt dritter Ordnung). „Insgesamt rechnen wir damit, dass die Branchen, die mit Treibstoff Geld verdienen, 33 Milliarden Euro Wertschöpfung einbüßen“, sagt Moritz Hagenmüller. Gewinner des Trends dürfte vor allem, aber nicht nur, der Inlandstourismus sein. Und auch das eigene Zuhause profitiert von diesem Trend – erneut.

Trend 3: Der Konsum wird klug

Es ist eine Binsenweisheit: In der Krise wird gespart. Tatsächlich verdreifachte sich die Sparquote in den USA im Sommer 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, in Deutschland zeigte sich ein ähnlicher Trend. Und nach Corona – bleibt alles beim Alten? „Die Pandemie ist ein exogener Schock für die Weltwirtschaft, und zwar der größte seit Jahrzehnten“, sagt Hagenmüller. „Das hat Langzeitfolgen. Der Konsum wird bewusster und nachhaltiger bleiben.“ Das zeige auch ein Blick auf die Beliebtheit preiswerter Marken. Sogenannte Budget-Marken graben teureren Mittelklasse- und Premium-Marken mehr und mehr das Wasser ab, wie eine Accenture-Studie zeigt.

Die Folge, auch diesmal: Umverteilung. 604 Milliarden Euro könnten sich verschieben. Das meiste davon muss der Transportsektor verkraften (174 Milliarden Euro). Auch die Ausgaben für Freizeitvergnügen sinken: 143 Milliarden Euro fließen ab, im Gastgewerbe sind es noch einmal 118 Milliarden Euro. Und auch in den Bereichen Gesundheit und Beauty (64 Milliarden Euro) sowie Kleidung (37 Milliarden Euro) gehen die Werte zurück. Profiteur, schätzt die Studie, ist erneut das Leben in den eigenen vier Wänden. Die Wertschöpfung verschiebt sich zugunsten der Lebensmittelbranche und der Ausstattung des eigenen Zuhauses.

„Auch dieser Trend zeigt: Vor allem der stationäre Einzelhandel sollte sich auf Umbrüche einstellen“, sagt Hagenmüller. Laut den Studienautoren von „The Big Value Shift“ spürt er die Folgen zuerst, gefolgt von Produzenten und Dienstleistern, die von seinem Erfolg abhängen, zum Beispiel die Immobilienbranche (Effekt zweiter Ordnung). Das veränderte Konsumverhalten hätte dann wohl sogar Einfluss auf die Lage in der Baubranche (Effekt dritter Ordnung).

Und jetzt?

Damit schließt sich der Kreis. Bloß: Was heißt der „Shift“ für diejenigen, die auf der Verliererseite stehen? „Die Erkenntnisse liegen auf dem Tisch. Unternehmen müssen sich jetzt vorbereiten“, sagt Moritz Hagenmüller. „Begeben wir uns also auf die Suche nach neuen Wertschöpfungspotenzialen.“ Konkret sollten sich Unternehmen, so die Empfehlung von Accenture, folgende Fragen stellen:

1. Stehen die Kunden wirklich im Zentrum der eigenen Arbeit?
Der größte Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens ist es, seine Kunden besser zu verstehen als irgendwer sonst auf dem Markt. Daten sind der Schlüssel dazu. Sie zu aggregieren, zu analysieren und Erkenntnisse aus ihnen abzuleiten, die sich auf das eigene Produkt bzw. die eigene Leistung niederschlagen – bestenfalls in Echtzeit – sollte ein Ziel von Unternehmen sein, um den eigenen Erfolg langfristig zu sichern.
2. Für welche Werte steht die eigene Branche und woran orientiert sie sich?
Die Pandemie hat das Potenzial, Nachfrage und Ertragsquellen zu fragmentieren, was in vielen Branchen zu erheblichen Umstrukturierungen führt. Unternehmen sollten anfangen, darüber nachzudenken, was diese Verschiebungen in der Wertstruktur für ihre Strategie bedeuten.
3. Wie relevant ist das eigene Geschäftsmodell (noch)?
eCommerce- und Direct-to-Consumer-Modelle haben bereits vor der Pandemie an Bedeutung gewonnen, und diese Trends haben sich weiter verstärkt, da immer mehr Menschen online einkaufen und sich näher an ihrem Wohnort aufhalten. Unternehmen müssen sicherstellen, inwieweit ihre Geschäftsmodelle davon betroffen sind und ob sie trotz dieser Entwicklung relevant und kosteneffizient bleiben.
4. Verfügt das eigene Unternehmen über genügend Flexibilität?
Agile Betriebsmodelle werden künftig sicherstellen, dass Unternehmen in der Lage sind, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und sich an neue Arbeitsweisen anzupassen. Das bedeutet, die Flexibilität zu haben, datengenerierte Erkenntnisse in organisatorische Veränderungen umzusetzen und den Fokus auf die eigene Modularität und Anpassungsfähigkeit zu legen.
5. Wie effektiv werden die eigenen Kompetenzen und das eigene Ökosystem genutzt?
Um langfristig strategisch erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen in der Lage sein, künftig notwendige Fähigkeiten zu identifizieren und darauf zurückzugreifen oder diese zu schaffen.

Was bleibt unterm Strich? Vor allem die Erkenntnis, dass sich Unternehmen grundlegend selbst hinterfragen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – auch über die Corona-Krise hinaus. „Wir sind davon überzeugt: Wer glaubt, dass nach Corona alles so ist wie zuvor, der irrt“, sagt Moritz Hagenmüller. „Das große Umverteilen hat gerade erst begonnen.“

 

Sie wollen mehr über den „Big Value Shift“ und seine Folgen erfahren? Lesen die Accenture-Studie hier in voller Länge.

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