Die globalen Lieferketten in Deutschland sind durch Krisen wie die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg immer verletzlicher geworden. Unternehmen müssen daher dringend die Resilienz dieses oftmals vernachlässigten Teils ihres Wertschöpfungszyklus stärken. Nur so können sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Maßgebliche Lösungsansätze sehen Expert:innen etwa in mehr Digitalisierung sowie in der Verlagerung von Produktionsprozessen direkt an die Absatzmärkte im In- und Ausland. Unterstützung bei der Finanzierung solch kapitalintensiver Zukunftsinvestitionen bietet die Sparkassen-Finanzgruppe.
Die weltweiten Handels- und Lieferverflechtungen sind immer neuen Zerreißproben ausgesetzt: Klimawandel, Corona-Pandemie, Inflationsschocks – und zuletzt eine bis vor kurzem undenkbare militärische Eskalation in Osteuropa. All dies hat dazu geführt, dass sich immer mehr Unternehmen nicht mehr auf ihre integrierten Logistik- sowie Lagerhaltungsstrukturen verlassen und nur mit extremem Aufwand ihre Wertschöpfungsketten aufrechterhalten können. Überdurchschnittlich betroffen von Lieferengpässen ist vor allem die deutsche Wirtschaft, da hier insbesondere viele mittelständische Betriebe auf die Endmontage von Produkten spezialisiert sind, für die die meisten Vorprodukte gebraucht werden. Etwa beim Anlagen- und Maschinenbau oder auch im Automobilsektor.
Expert:innen zeigen sich alarmiert: So warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) aufgrund der Engpässe und der problematischen Beschaffung von Rohstoffen vor schwierigen Monaten. „Die anhaltenden Lieferkettenstörungen erschweren es vielen Betrieben, ihre Aufträge abzuarbeiten", so DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. Und Besserung ist kaum in Sicht. 62 Prozent der Firmen in Deutschland berichten derzeit über Engpässe in ihren Lieferketten, wie aus einer Ende August veröffentlichten Erhebung des Münchener Ifo-Instituts hervorgeht. Im Monat zuvor waren es zwar sogar noch über zehn Prozentpunkte mehr gewesen – „von einer nachhaltigen Entspannung kann aber leider noch nicht gesprochen werden", konstatiert der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
Lieferengpässe in China gehörten zu den ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie, die auch Unternehmen in Europa spürten. Und mit jedem neuen Krisenherd wuchs die Zahl der Unternehmen, die mit Störungen in der Lieferkette umgehen müssen. So sind etwa spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges die Folgen überall in der Logistik zu spüren. Durch die zerstörte Infrastruktur im Kriegsgebiet, ausgesetzte Zugverbindungen, geänderte Flugrouten und Sanktionen gegen Russland kommen viele Warenströme zwischen China und Europa derzeit zum Erliegen, oder der Warentransport wird deutlich komplizierter, langwieriger und kostspieliger.
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Die Folge: Absatzeinbußen und düstere Geschäftsaussichten für weite Teile der hiesigen Wirtschaft. Langfristig steht sogar die internationale Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen auf dem Spiel. „Der Krieg in der Ukraine und die Covid-Politik Chinas schwächen das Wachstum der europäischen Wirtschaft erheblich“, warnt Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Insbesondere für mittelständische Betriebe spitzt sich die Lage teils „dramatisch“ zu, beobachtet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Diese Unternehmen stehen derzeit von zwei Seiten unter Druck: Sie bekommen selbst weniger Vorprodukte oder – vor allem Energie – nur zu sehr hohen Preisen“, so DIHK-Vizepräsident Ralf Stoffels. Sie könnten also wegen Verzögerungen in der eigenen Lieferkette selbst immer schlechter liefern und zugleich Kostensteigerungen nur zum Teil an ihre Kund:innen weitergeben.
Gerade die Erfahrungen des Ukraine-Kriegs müssen aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe ein Weckruf für Europa sein, sich von einseitigen Energie-, Rohstoff- und digitalen Abhängigkeiten zu befreien und mehr europäische Souveränität zu erreichen.
Die Globalisierung wird 2022 nicht enden, sie wird aber neu zu bewerten sein. Daher empfehle ich hiesigen Unternehmen, über eine Neuaufstellung ihrer Lieferbeziehungen nachzudenken.
Von Materialknappheit betroffen sind inzwischen mehr als drei Viertel aller mittelständischen Firmen im verarbeitenden Gewerbe und im Bau, wie die staatliche Förderbank KfW im Mai mitteilte. Und die Geschäftsführung vieler mittelständischer Unternehmen macht die leidvolle Erfahrung, dass sie in der Vergangenheit nicht ausreichend in das Risiko- und Ressourcenmanagement ihrer Lieferketten investiert habe. Expert:innen zufolge muss sie künftig den gesamten Wertschöpfungszyklus der Produkte managen und die jüngste Krise als Weckruf verstehen, um ihre Lieferketten neu aufzustellen.
Neben dem akuten Krisenmanagement gilt es, Lieferverflechtungen so zu optimieren, dass sie bei künftigen Ausnahmesituationen weniger anfällig sind. Durch fünf übergeordnete Maßnahmen lässt sich dies systematisch erreichen: Interdisziplinäres Arbeiten, Implementierung von in Echtzeit nachverfolgbaren Lieferketten, Smart Data gestütztes Risikomanagement, die Kontrolle von Compliance-Risiken sowie die systematische Diversifizierung der Lieferanten.
Maßnahme 1: Interdisziplinäres Arbeiten
In der Corona-Krise haben viele Unternehmen Taskforces ins Leben gerufen und die damit verbundene schnelle Entscheidungsfindung schätzen gelernt. Vertreter:innen aller Abteilungen stimmen sich in kurzen Intervallen ab. Der Bereich Supply-Chain-Management spielt hier eine entscheidende Rolle. Wichtig ist nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit, sondern auch Agilität: Was am Vortag sinnvoll erschien, ist einen Tag später möglicherweise schon wieder überholt.
Diese in der Corona-Krise gezeigte Lern- und Anpassungsfähigkeit wird auch nach der Pandemie helfen, wenn es gelingt, diesen Schwung mitzunehmen. Digitale Kollaborationsplattformen können dabei unterstützen.
Maßnahme 2: Implementierung von in Echtzeit nachverfolgbaren, vernetzten Lieferketten
Unternehmen sollten ihre Lieferant:innen für sämtliche Projekte im Blick haben, sie mit wenigen Klicks visualisieren können. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens International Data Corporation (IDC) arbeiten derzeit zwar fast alle Unternehmen daran, die Transparenz ihrer Lieferkette zu verbessern und damit das Supply-Chain-Management nachverfolgbarer zu gestalten. Zu den größten Herausforderungen dabei zählt, dass sich die benötigten Daten oft in verschiedenen technischen Systemen befinden – mit jeweils unterschiedlichen Datenhoheiten.
Doch Investitionen in die Harmonisierung von Daten zahlen sich schnell aus. Mit sogenanntem „Process Mining“ lassen sich komplexe Verbindungen und Prozessverläufe in den Lieferketten transparent darstellen – so wie sie tatsächlich ablaufen und wie sie idealerweise ablaufen sollten. Dieser Vergleich ermöglicht es, Optimierungspotenziale entlang der gesamten Lieferkette aufzudecken und Supply- Chain-Management-Prozesse anzupassen.
Maßnahme 3: Smart Data gestütztes Risikomanagement
Geschäftskritische Risiken und deren Auswirkungen auf die Lieferketten sollten kontinuierlich überwacht werden. Dafür braucht es ein Risikomanagement, das im besten Fall auch auf Smart Data aus externen Quellen zurückgreift. Dazu können beispielsweise Wetterdaten ebenso gehören wie Streikankündigungen, Hinweise auf politische Konflikte – oder eben Informationen über die Ausbreitung von Virusinfektionen. Genauso wichtig sind Informationen über die Lieferant:innen und das Transportmanagement.
Digitale Lösungen helfen Firmen dabei, besser mit Lieferant:innen und Logistikpartner:innen zusammenzuarbeiten. Dadurch können die Partner:innen wiederum effizienter planen und Informationen über mögliche Engpässe frühzeitig an ihre Kund:innen übermitteln. Die Blockchain-Technologie, eine Art dezentrales Logbuch für Daten, bietet viele Vorteile für die Überwachung von Lieferketten: Daten werden verifizierbar übermittelt und aktuell und sicher vorgehalten.
Maßnahme 4: Compliance-Risiken im Blick behalten
Auch wenn viele Entscheidungen in der Krise besonders schnell getroffen werden müssen, sollten Sie Ihre Firma keinen neuen Compliance-Risiken aussetzen, etwa in Hinblick auf Korruption, Embargos oder die Verletzung von Menschenrechten.
Die Überwachung auch neuer Lieferant:innen ist daher zentral. Die Auslagerung bestimmter Prüf- und Kontrollaufgaben an Dienstleister:innen kann hier helfen. Bestimmte Schritte im Supply-Chain-Management (SCM) lassen sich auch automatisieren.
Maßnahme 5: Lieferant:innen diversifizieren
Eine weitere Maßnahme um Lieferkettenprobleme dauerhaft abzumildern, sehen Expert:innen zudem im sogenannten „Reshoring“ und „Near-Shoring“ - also darin, Prozesse, die einst wegen günstiger erscheinender Produktionsbedingungen beispielsweise in Niedriglohnländer verlagert worden waren, (wieder) näher an die Absatzmärkte des eigenen Unternehmens zu holen.
Denn was für die Produktion von Atemschutzmasken und für Grundstoffe für Medikamente gilt, gilt auch für andere Güter: Das Outsourcing ganzer Produktionsbereiche nach Asien hat europäische Firmen in Zeiten von Corona verwundbar gemacht. Eindringlich hat sich etwa gezeigt, dass es falsch war, nur auf einzelne Lieferant:innen zu setzen oder nur mit Lieferant:innen aus einer Region zu kooperieren.
Einer Umfrage des DIHK zufolge plant inzwischen mehr als die Hälfte der Firmen in Deutschland (54 Prozent), ihre Lieferketten anzupassen oder hat dies bereits getan. Ein übergeordnetes Ziel sollte dabei sein, lokal für die lokalen Märkte zu produzieren. Denn nicht nur Epidemien, sondern auch Naturkatastrophen oder die Änderung von politischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen können schnell zu Störungen in der Lieferkette führen.
Eine lokale Produktion verringert nicht nur Lieferketten-Risiken, sondern auch Logistikkosten, und unterstützt gleichzeitig Nachhaltigkeitsaspekte, die in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen werden. Wesentliche Hürden beim Streben nach resilienteren Lieferketten sind gerade bei mittelständischen Unternehmen vor allem Kapazitätsprobleme und die krisenbedingt verringerte Investitionsbereitschaft – das gilt insbesondere bei besonders kapitalintensiven Maßnahmen wie dem Ausbau der Digitalisierung oder bei der Forcierung lokaler Auslandsproduktion.
Doch es gibt bewährte Finanzierungsstrategien, auf die Unternehmen auch in so herausfordernden Zeiten wie derzeit zurückgreifen können: Um den Spagat aus Liquiditätssicherung auf der einen Seite und notwendigen Direktinvestitionen zur Optimierung der Lieferketten auf der anderen Seite, zu meistern, bieten sich verschiedene Optionen – individuell zugeschnitten für jedes Unternehmen.
So erhalten etwa Mittelständler:innen, die künftig direkt im Ausland vor Ort produzieren und investieren wollen, bei der Deutschen Leasing professionelle Unterstützung. Als internationaler Asset-Finance-Partner und Betreiber des größten Auslandsnetzwerks der Sparkassen-Finanzgruppe begleitet die Deutsche Leasing schon seit Jahrzehnten Firmenkund:innen bei ihren Auslandsgeschäften.
Die Finanzierungsexpert:innen beraten bei der Entwicklung eines individuellen Investitions- und Finanzierungskonzepts, abgestimmt auf die Unternehmensstrategie der Kund:innen. Sie kennen landestypischen Anforderungen – seien es steuerliche, rechtliche oder kulturelle Aspekte.
Dabei können Unternehmen nicht nur klassische Finanzierungen wie Bankkredite in Betracht ziehen, die teils jahrelange Verpflichtungen mit sich bringen. Vielmehr gilt es gerade jetzt neue Wege zu betreten – und hierzu auch alternative Finanzierungsarten zu prüfen, um den eigenen Handlungsspielraum zu vergrößern. So können etwa Leasing, Sale-and-lease-back oder Factoring entscheidend dazu beitragen, die notwendigen Investitionen zur dauerhaften Abmilderung von Lieferkettenrisiken zu stemmen. Auch die Einbindung staatlicher Förderungen kann notwendige Finanzierungslösungen zielführend ergänzen.
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