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Eman Hamdan im SOS-Kinderdorf Bethlehem

„Es ist so wichtig, dass die Kinder lernen, ihre Gefühle auszudrücken“

Gewalt gegen Frauen und Kinder ist in den palästinensischen Gebieten weit verbreitet. Die SOS-Kinderdörfer in Palästina engagieren sich hier für Kinderschutz und Gewaltprävention. In Bethlehem haben auch viele Mädchen und Jungen psychische Traumata erlitten. Betreut werden sie vor Ort von Psychologin Eman Hamdan. Sie ist seit Mai 2022 dabei und blickt jetzt auf ihre Arbeit der letzten zwölf Monate zurück.

SOS Bethlehem Titel

© SOS-Kinderdörfer | Alea Horst

„Viele Kinder fühlen sich nicht sicher genug, um gesunde Beziehungen zu anderen aufzubauen.“

Bevor Eman Hamdan im SOS-Kinderdorf Bethlehem mit ihrer Arbeit startete, gab es dort keine Psychologin. Zuvor unterstützten drei Sozialarbeiter:innen die Kinder psychosozial. Doch weil so viele der Mädchen und Jungen therapeutischen Beistand benötigen, war die Einstellung einer Psychologin eine Notwendigkeit. Die meisten von ihnen kamen ins SOS-Kinderdorf Bethlehem, nachdem sie Vernachlässigung, Missbrauch oder den Verlust ihrer Eltern erlitten haben.

Als Eman im SOS-Kinderdorf anfing, untersuchte sie zunächst alle Kinder auf ihre psychische Gesundheit. Das Ergebnis der Untersuchung zeigte: Die meisten von ihnen litten unter Angstzuständen, Schlafproblemen, Wut und aggressivem Verhalten, Depressionen oder Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.

Psychologin Eman Hamdan betreut seit Mai 2022 Kinder im SOS-Kinderdorf Bethlehem.

„Um einen geeigneten Behandlungsplan für ein Kind zu entwickeln, müssen wir zunächst die Art und Ursache dieser Symptome verstehen", erklärt Psychologin Eman Hamdan. „Viele der Kinder mussten schon früh Verlust und traumatische Erfahrungen erleiden und viele von ihnen waren in verschiedenen Waisenhäusern, wo sie keine Gelegenheit hatten, eine sichere Beziehung zu einer festen elterlichen Bezugsperson aufzubauen. Das kann zur Folge haben, dass es ihnen schwerfällt, ihre eigenen Gefühle zu verstehen und darüber zu sprechen.“

Früher Verlust und neues Vertrauen

Eman bietet den Kindern psychologischen Beistand – von dem Moment an, in dem sie ins SOS-Kinderdorf kommen. „Es ist sehr wichtig, dass sie lernen, ihre Gefühle zu erkennen und auszudrücken. Nur so können sie lernen, mit diesen Gefühlen auf positive Weise umzugehen. Die Körpersprache ist oft die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken. Deshalb sehen wir viele Kinder, die unter Kommunikations- und Aufmerksamkeitsproblemen leiden. Kinder neigen zu aggressiven Verhaltensweisen, um ihren Gefühlen Luft zu machen“, weiß die Expertin. Die psychologische Intervention hilft den Kindern, Vertrauen zu entwickeln – zu sich und zu anderen –, und stärkt ihre Fähigkeit, die erlebten Traumata zu überwinden.

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© SOS-Kinderdörfer | Alea Horst

Individuelle Betreuung und umfassender Ansatz für die psychische Gesundheit

Jedes Kind im SOS-Kinderdorf bekommt seinen eigenen Interventionsplan, der ganz individuell auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten ist. Alle Interventionspläne beruhen auf einem umfassenden Ansatz für die psychische Gesundheit. Zusätzlich zu den Einzel- und Gruppentherapiesitzungen, die den Kindern innerhalb des SOS-Kinderdorfes angeboten werden, ist es manchmal notwendig, die Kinder an einen anderen externen Spezialisten zu überweisen, beispielsweise für Psychiatrie, Ergotherapie, Logopädie, sensomotorische Aktivitäten und andere Freizeitaktivitäten.

Gemeinsame Aktivitäten mit Kindern außerhalb des SOS-Kinderdorfes sind ebenfalls wichtig für deren Entwicklung. Dort lernen sie Selbstvertrauen und wie sie sich in die Gesellschaft integrieren können. „Es macht einen großen Unterschied, wenn die Kinder merken, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Sie lernen von Gleichaltrigen, wie sie mit Herausforderungen umgehen oder wie sie Entscheidungen treffen und reagieren sollten“, sagt Eman.

Kindern wieder Halt geben, um Unsicherheiten im Alltag zu meistern

Die Kinder kommen gerne zu den Therapiesitzungen und zum Kinderschutzzentrum im SOS-Kinderdorf Bethlehem. Dort nutzen sie auch die angebotenen Aktivitäten, wie beispielsweise die Maltherapie. Das gilt besonders für Kinder, die ein Trauma erlebt haben, die nicht mehr wissen, wie man spielt, und die einen sicheren Raum brauchen, um wieder zu lernen, wie man spielt. Oberste Priorität ist es, den Kindern ein normales Leben zu ermöglichen. Damit Kinder überleben können, brauchen sie innere Stabilität. Nur dann können sie mit den vielen Unsicherheiten in ihrem Umfeld zurechtkommen.

Die SOS-Kinderdörfer sind seit 1966 in Palästina aktiv. Erfahren Sie mehr zur Projektarbeit vor Ort.

SOS-Kinderdörfer in Palästina: Gemeinsam gegen Gewalt in Familien

Zu Hause, in der Schule oder in der Gemeinde: Nach Angaben des Palästinensischen Zentralbüros für Statistik (PCBS) haben schätzungsweise 74 % der Mädchen und 79 % der Jungen sowie 37 % der Frauen und 33 % der Jugendlichen bereits Gewalt erlebt. Misshandlung und häusliche Gewalt sind weit verbreitet und die Gefahr hat sich durch die Corona-Krise mit ihren negativen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen weiter verschärft. Hinzukommt die allgegenwärtige Bedrohung durch politisch begründete Gewalt infolge des israelisch-palästinensischen Konflikts.

In den palästinensischen Gebieten fehlt es insbesondere an therapeutischen Angeboten, die speziell auf die Bedürfnisse der von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern eingehen. Die SOS-Kinderdörfer haben im Westjordanland und im Gazastreifen spezialisierte Fachzentren für Familien eingerichtet und befähigen lokale Organisationen, ihre therapeutischen Unterstützungsangebote und Präventionsarbeit auszubauen und zu verbessern. Durch gemeinsame Workshops und Fortbildungen vernetzt die Organisation staatliche und nicht-staatliche Schlüsselakteure vor Ort und stärken so die Zusammenarbeit. Das Ziel? Langfristig nachhaltige gemeindebasierte Strukturen zur Gewaltprävention und Unterstützung von Gewaltopfern aufzubauen.

Helfen Sie nachhaltig! Geben Sie Kindern, Jugendlichen und Familien die Chance auf eine bessere Zukunft. Das Projekt zur Gewaltprävention der SOS-Kinderdörfer in Palästina wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt – Ihre Spende wirkt so vierfach!

Mehr erfahren über die Hilfe der SOS-Kinderdörfer.

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