Die Gesundheits­strategen

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Frans van Houten
CEO Royal Philips

Kolumne

Digitalisiert die Gesundheit: jetzt!

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Die Pandemie hat der Digitalisierung im Gesundheitswesen einen Schub gegeben. Die Politik fördert jetzt vermehrt digitale Investitionen. Krankenhäuser sollten das Momentum nutzen und gemeinsam mit Partnern die strategischen und technologischen Weichen für die Zukunft stellen.

Die Impfkampagnen laufen auf Hochtouren, Inzidenzzahlen sinken, Beschränkungen werden gelockert – das Ausklingen der Corona-Pandemie zeichnet sich ab. Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen in Deutschland haben steile Lernkurven hinter sich, insbesondere was den Einsatz digitaler Technologien angeht. Ein Beispiel dafür ist die Videosprechstunde. Noch 2019 wurde sie in nur 3.000 Fällen genutzt. Doch mit der Pandemie stieg die Zahl allein im ersten Halbjahr 2020 auf 1,4 Millionen. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich in den USA: Die Zahl der Videobehandlungstermine in der Krankenhauskette Mayo Clinic stieg zwischen März und Juli 2020 um nahezu 11.000 Prozent.

Die Videosprechstunde zeigt, dass Entscheider und Praktiker in Krankenhäusern und Arztpraxen – aber auch die Patientinnen und Patienten – einem digitalen Gesundheitswesen deutlich offener gegenüberstehen als zuvor. Es ist eine echte Trendwende, die auch die aktuelle Ausgabe des Future Health Index (FHI) widerspiegelt, den Philips seit 2016 jährlich auf Basis einer internationalen Umfrage unter Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen erstellt.

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Was muss denn noch passieren?

Digitalisiert die Gesundheit: jetzt!

Frans van Houten

⸺ CEO Royal Philips

Technologie und politische Rahmenbedingungen waren längst vorhanden. Doch brauchte es erst eine Pandemie, damit sich das deutsche Gesundheitswesen endlich in Richtung Digitalisierung bewegt. Immerhin sind jetzt die ersten Schritte getan. Um den Schwung für die nächsten zu nutzen, sollten Krankenhäuser eng mit den erfahrenen Lösungsanbietern der Wirtschaft zusammenarbeiten.

Die Pandemie hat vorgeführt, wie wichtig leistungsfähige, gut organisierte Gesundheitssysteme sind – und wie schnell sie selbst in den wohlhabenden Industrieländern an ihre Grenzen kommen. Es hat sich gezeigt, dass ein modernes Gesundheitssystem drei Aspekte vereinen muss, um richtig funktionieren zu können. Krankenhäuser, Praxen und Labore brauchen erstens medizinische Ausstattung auf der Höhe der Zeit, um die technisch bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Zweitens müssen gut ausgebildete, angemessen entlohnte und engagierte Menschen dort täglich ihr Bestes geben. Drittens hat sich die Digitalisierung im Sinne von hochwertigen, verfügbaren Daten und einer flächendeckenden Vernetzung von Menschen und Geräten als entscheidend erwiesen – im Guten wie im Schlechten.

Für die guten Erfahrungen steht das Beispiel Telemedizin, deren Nutzung in der Pandemie regelrecht explodiert ist. Allen Bedenken der Vergangenheit zum Trotz sind Ärzte, Therapeuten und Patienten offenbar durchaus bereit für neue, digitale Behandlungsformen. Eine schlecht funktionierende Nachverfolgung von Infektionen in der Pandemie und die lange ungelöste Frage, wie der Impfnachweis erfolgen soll, sind hingegen Beispiele dafür, wo gerade in Deutschland die digitalen Problemstellen liegen. Hier wird exemplarisch für das gesamte Gesundheitssystem deutlich, welche Reibungsverluste durch nicht zu Ende gedachte Prozesse, mangelhafte Datenqualität und -verfügbarkeit und fehlende Interoperabilität zwischen Systemen entstehen. Bei Philips arbeiten wir deshalb bei unseren Lösungen für das Gesundheitswesen bewusst mit offenen Schnittstellen.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens im Rückstand. Offenbar brauchte es eine Pandemie, um hier wichtige Themen endlich anzugehen. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz und seinem Investitionsvolumen von 4,3 Milliarden Euro steht von Seiten der Politik ein klares Bekenntnis im Raum. Es markiert einen ersten wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigen Digitalisierungsstrategie des deutschen Gesundheitswesens. Damit ist ein merkbares Momentum entstanden, das Entscheider insbesondere in den Krankenhäusern jetzt nutzen sollten, um die Digitalisierung endlich anzugehen. Ich freue mich schon darauf, denn wenn in Deutschland etwas angepackt wird, geschieht das mit Gründlichkeit und Disziplin. Es stehen langfristige, strategische und kostspielige Entscheidungen an, die die Entscheider jedoch nicht allein treffen müssen und auch nicht sollten. Im Begriff der Vernetzung steckt schon die Idee des Austausches und der Zusammenarbeit. Diese bieten wir mit unseren passgenauen Produkten und Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette an.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens kann nur gelingen, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, Entscheider in Krankenhäusern und Krankenkassen, der Wirtschaft und vor allem auch der Politik. Welchen Einfluss auf zukünftige Entwicklungen sie sogar jenseits der Gesundheitspolitik hat, zeigt sich am Beispiel der Künstlichen Intelligenz. Sie ist einer der Megatrends im Gesundheitswesen der kommenden Jahre. Doch ohne den Zugang zu relevanten Daten kann die Technik nicht konkurrenzfähig weiterentwickelt werden. Die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union, so gut sie auch gemeint sein mag, legt hier den europäischen Playern Steine in den Weg. Wird sich daran nichts ändern, werden wir langfristig von Technologien abhängig werden, die in den USA oder China entwickelt werden – mit bekannten Folgen für den Datenschutz. Daran können Gesundheitswirtschaft, Politik und vor allem die Patientinnen und Patienten kein Interesse haben. Nur wenn wir alle zusammenarbeiten, werden wir die Stärke haben, einen eigenen, europäischen Weg zu gehen.

Digitale Technologien bieten hohes Verbesserungspotential

Nahezu zwei Drittel der Befragten in Deutschland (64 %) priorisieren gegenwärtig Investitionen in die Telemedizin, die auch weit über das Arzt-Patienten-Verhältnis hinaus Potential bietet. Telemedizinische Anwendungen können den professionellen Austausch innerhalb der verschiedenen Abteilungen in den Krankenhäusern, Arztpraxen und Laboren verbessern. Zu den derzeit vielversprechenden Bereichen zählen die Radiologie, die digitale Pathologie oder die Teleintensivmedizin mit der Möglichkeit, über die Fernüberwachung hinaus auch Beratung anzubieten.

Von der Digitalisierung generell wird die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen ebenso profitieren wie die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Optimierte Prozesse im Krankenhaus helfen, Ärzteschaft, Pflege und Verwaltung zu entlasten. Erhobene Daten von EKG, Blutdruck, Puls, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung des Blutes und andere bieten auf einem digitalen Dashboard einen zentralen Blick auf die Patientinnen und Patienten – und das bereits auf der Normalstation. Weichen einzelne Werte der aggregierten Daten von der Norm ab, erkennt ein "Early-Warning-Scoring"-System eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands und alarmiert das medizinische Personal.

3,4 Mio.

Menschen in Deutschland haben im 1. Quartal 2020 Fitnesstracker (smarte Geräte zur Überwachung von Blutdruck, Blutzucker, Körpergewicht, zur medizinischen Vorsorge etc.) genutzt.

94%

der deutschen Gesundheitsexperten glauben, dass die KI bereits innerhalb der kommenden drei Jahre die Telemedizin überflügeln wird.

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Wie beurteilen Sie als Patient grundsätzlich Ihre Erfahrungen mit Videosprechstunden?

Sehr gut, 45%
Gut, 42%
Weiß nicht/k.A., 6%
Schlecht, 5%
Sehr schlecht, 2%

91%

der Patienten würden Freunden oder Familie die Nutzung einer Videosprechstunde empfehlen.

80%

finden, dass das Videosprechstunden-Angebot ausgebaut werden sollte.

56%

finden, dass der Arzt gut auf sie eingegangen ist.

Auch die Anamnese und die Patientenaufklärung, die derzeit oft noch papierbasiert ablaufen, lassen sich digital verbessern. Das zeigt die Partnerschaft zwischen Philips und Thieme Compliance. Künftig werden die Anamnesebögen von Thieme Compliance, Systemanbieter für medizinisch und juristisch fundierte Patientenaufklärung, in das Patientenportal Philips Engage integriert. Dort eingeloggt, können sich die Patienten in Ruhe vor dem Arzt-Patienten-Gespräch mit den Anamnesefragen beschäftigen und sie am Laptop, Tablet oder Smartphone beantworten. Die so erhobenen Daten stehen dann den an der Behandlung Beteiligten digital zur Verfügung.

Wichtig sind Zusammenarbeit und Strategische Partnerschaften

Daten sind die Basis für einen weiteren Top-Trend, den die befragten Entscheider im FHI prognostizieren: den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). 94 Prozent der deutschen Befragten glauben, dass die KI bereits innerhalb der kommenden drei Jahre die Telemedizin überflügeln wird. Allerdings müssen vor einer nachhaltigen digitalen Transformation im Gesundheitswesen einige technische und organisatorische Hürden überwunden werden. Dazu zählen Schwierigkeiten im Datenmanagement, fehlende Interoperabilität und Datenstandards für die Arbeit über Systeme und Plattformen. Auch das mangelnde Training des Fachpersonals steht derzeit dem ganzheitlichen Einsatz digitaler Gesundheitstechnologie oft noch im Weg.

Mit Blick auf die praktische Umsetzung der technologischen Umwälzung im Gesundheitswesen halten immerhin knapp ein Drittel der deutschen Befragten (32 %) die Zusammenarbeit und strategische Partnerschaften mit Partnern der Wirtschaft für einen weiteren Megatrend. Den schnellen Wandel des Gesundheitswesens schultern Krankenhäuser am besten gemeinsam mit Technologie- und Lösungsanbietern, die dabei helfen, Strukturen und Prozesse entlang des Patientenpfades in Krankenhäusern zu verbessern. Healthcare-Consulting-Anbieter haben die nötige Erfahrung: Sie nutzen die Ergebnisse eigener Untersuchungen und globale Best Practices, um die Patientenversorgung zu verbessern.

Förderungen laufen – Krankenhäuser müssen handeln

Eine wichtige Rolle spielen dabei die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen. In Deutschland treibt das Bundesministerium für Gesundheit die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit der Telematikinfrastruktur und ihren Anwendungen wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte voran. Flankiert wird dies durch das im September 2020 verabschiedete Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Bund und Länder fördern mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro digitale Investitionen, setzen die Krankenhäuser aber auch unter Zugzwang.

Das KHZG fördert ein breites Spektrum an Vorhaben, die insbesondere auf die Digitalisierung von Prozessen und Strukturen im Verlauf des Krankenhausaufenthalts von Patientinnen und Patienten abzielen. Mit der positiven digitalen Erfahrung während der Pandemie im Rücken und der Aussicht auf substanzielle Fördermittel besteht derzeit eine beinahe historische Digitalisierungschance. Diese zu verpassen ist riskant. Allerdings ist es ebenso riskant, nun überstürzt zu handeln. Jedes Krankenhaus sollte eine individuelle Gesamtstrategie verfolgen, zu der die Digitalisierungsstrategie passen muss. Leider ist die Realität davon noch weit entfernt, selbst innerhalb der Krankenhäuser wird zumeist noch in Insel-Lösungen investiert. Die aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse jedes einzelnen Hauses zu prüfen und darauf aufbauend eine zukunftsfähige Strategie zu entwickeln ist der erste wichtige Digitalisierungsschritt. Erst dann folgt die Identifikation und Orchestrierung der relevanten, förderfähigen Projekte. Beides ist eine Aufgabe, die Krankenhäuser und Lösungsanbieter der Wirtschaft am besten gemeinsam angehen sollten.

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