Beyza aka „Robogirl“

Beyza aka

„Robogirl“

Nach eigenen Regeln

Eine Serie präsentiert von

Seit Beyza Prothesen an Armen und Beinen trägt, hat sie sich selbst neu kennengelernt – und neu erfunden. Als Robogirl ist es ihr gelungen, Berge zu versetzen. Ihre eigene Normalität zu definieren. Und Tausende Menschen zu inspirieren.

Wer Beyza Mokka kennenlernt, trifft eine Kölnerin voller Energie und Lebensfreude. Warum auch nicht, schließlich ist Beyza eine ganz normale 25-Jährige. Einerseits. Denn gleichzeitig ist sie auch Robogirl. Ein Name, den sie sich selbst gegeben hat, seitdem sie mit Prothesen an Armen und Beinen lebt.

Für ihre Followerinnen und Follower ist Beyza dazu noch so viel mehr: „Inspiration, Vorbild, Grenzensprengerin, Queen: Ich habe schon so viele Namen bekommen“, sagt sie. „Und es macht mich glücklich, dass ich Menschen etwas von meinem Optimismus abgeben kann.“

Es macht mich glücklich, dass ich Menschen etwas von meinem Optimismus abgeben kann.

Es war eine Infektion, die Beyzas Leben auf den Kopf stellte. Die Blutvergiftung kam plötzlich, von heute auf morgen wurde die Auszubildende zur Intensivpatientin. Nach Wochen im Koma mussten ihre Unterarme und Beine amputiert werden. Das war 2018. Seitdem lebt Beyza mit vier Prothesen und einer transplantierten Niere ihrer Mutter.

Die Normalität, wie Beyza sie kannte, mag damals also geendet haben. Doch viel wichtiger: Ein neues Leben begann. „Natürlich war das zuerst alles ein Schock. Aber für mich war ziemlich schnell klar, dass ich mich von diesem Schlag nicht unterkriegen lassen darf. Dass ich jetzt erst recht weitermachen muss. Und ich wusste, ich habe die Stärke.“

Wie Beyza zu Robogirl wurde

Durch die unendlichen Möglichkeiten digitaler Vernetzung baute Beyza sich erst weit über die Mauern des Krankenhauses, dann über Köln und Deutschland hinaus eine Instagram-Community auf. @beyza.mokkaa ist das Profil einer jungen Frau, die ihre Familie liebt, ihre Freunde trifft, sich fit hält, neue Looks und Make-up ausprobiert. Nur, dass sie eben Prothesen trägt. Es ist vor allem das Profil einer jungen Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.

Durch den offenen Umgang mit ihrer Lebensgeschichte trifft Robogirl einen Nerv in den sozialen Medien. „Menschen mit und ohne Prothesen schreiben mir, wie überfällig es ist, dass die Gesellschaft offen über Themen wie diese spricht“, sagt Beyza. „Und dass mein Mut sie bestärkt, ihre eigenen Einschränkungen ebenfalls nicht länger zu verstecken.“

Warum sollte es schließlich ein Tabu sein, statt eines Körperteils eine Prothese zu tragen? Mit ihrem Optimismus, ihrer Herzlichkeit und ihren klaren Worten traf Beyza einen Ton, der Menschen inspiriert. Gleichzeitig gaben die vielen positiven Nachrichten aus ihrer Community auch Beyza selbst Kraft. „Eine Menge Leute, die ich noch nie gesehen habe, konnten mir dabei helfen, in diesem langen Prozess immer weiterzumachen“, berichtet sie.

Es war ein langer Weg, doch inzwischen fühlen sich die Prothesen manchmal schon an wie echte Körperteile.

Stück für Stück zur Freiheit zurück

Je mehr Beyza lernte, mit den hochmodernen künstlichen Beinen und Unterarmen zu leben, desto mehr Möglichkeiten eröffneten sich für sie. Ihre Lebensfreude blieb ungebrochen, doch Stück für Stück gewann sie sich auch die Oberhand über ihr Leben selbst zurück. „Es war ein langer Weg, doch inzwischen fühlen sich die Prothesen manchmal schon an wie echte Körperteile“, sagt sie.


Laufen, greifen, ihr Smartphone bedienen, Sport treiben, mit der Zeit erlangte Beyza dank der medizinischen Hilfe immer mehr Freiheiten, die für sie früher selbstverständlich gewesen waren. „Ich sehe heute viel deutlicher, wie dankbar ich sein kann und wie wertvoll diese scheinbar kleinen Dinge für jeden einzelnen Menschen sind.“ Nicht zuletzt durch diese Dankbarkeit fühlt sie sich heute lebendiger als vor der Erkrankung, sagt sie.

Auch Rückschläge gehören zu ihrem neuen Leben, erzählt Beyza, nicht immer klappt alles auf Anhieb wie geplant. Denn obwohl Robogirl jede Menge Energie hat, sie hat auch ihr ganz eigenes Tempo: „Ich habe gelernt zu erkennen, wann ich Pausen brauche“, sagt Beyza. „Anders als früher nehme ich mir heute aber diese Zeit zum Auftanken. Ich kümmere mich um mich, das war ein wichtiger Schritt.“ Und sie bleibt dran. Gibt nicht auf. Behält ihre Ziele vor Augen.

Früher hatte ich gefühlt alles – aber heute bin ich einfach viel glücklicher.

Deshalb blickt Beyza auf ihre Zukunft auch gelassen, selbstbewusst und mit großer Vorfreude. Sie weiß besser als je zuvor, dass sie voll auf sich vertrauen kann. Einen ihrer nächsten Meilensteine definiert sie bereits ganz klar: sich das Autofahren wieder zu erarbeiten. „Das wird auf jeden Fall eine Herausforderung, aber möglich ist es“, sagt sie und lacht. Sie weiß, dass sie viel hinter sich hat. Aber noch viel mehr vor sich. „Das Schicksal ist das eine, doch wichtiger ist der Umgang damit“, erklärt sie. „Natürlich geht es mir mal besser und mal schlechter – so wie jedem anderen Menschen auch. Und wir alle lernen ständig dazu.“

Ihr zweites Leben, zu dem auch Robogirl fest gehört, lebt Beyza intensiver denn je. „Früher hatte ich gefühlt alles – meinen Körper, den Beruf, unendliche Mobilität“, führt sie aus. „Der größte Unterschied zu damals ist aber: Heute bin ich einfach viel wertschätzender.“

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