Die Jahrhundertkrise verschärft auch die Digitalisierungserfordernisse des Mittelstands: Vom bisherigen Geschäftsmodell über die Ausgestaltung des Leistungsportfolios bis zu den Arbeitsprozessen muss alles auf den Prüfstand. Denn wer jetzt nicht konsequent handelt, droht von Wettbewerbern für immer abgehängt zu werden.
Die Corona-Krise hat weite Teile der Wirtschaft kalt erwischt. Viele Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht, darunter zahlreiche kleine und mittelständische Betriebe. Andere Firmen können auch in diesen Zeiten ihre Geschäfte weiter betreiben, ihre Mitarbeiter weiter beschäftigen, ihre Produkte und Dienstleistungen weiter anbieten. Möglich machen das vor allem digitale Technologien.
Was wir uns selten vor Augen halten: Vor wenigen Jahren gab es die meisten der digitalen Lösungen noch nicht, die uns heute durch die Krise bringen. Webshops und Online-Handel? Fehlanzeige! Eine Verlagerung der Büroarbeit ins Home-Office wäre mit der IT von damals undenkbar gewesen. Anträge auf Kurzarbeit oder Soforthilfen hätten wir nicht über das Internet stellen und Bankgeschäfte nicht online erledigen können.
Auch wenn in den vergangenen Jahren digitale Geschäftsmodelle viele Branchen umgekrempelt haben, beschleunigt die Corona-Pandemie die Digitalisierung der Wirtschaft noch einmal deutlich. Viele Neuerungen betreffen die Arbeitnehmer und Kunden direkt, andere laufen eher im Hintergrund, zunächst unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, sind dafür aber nicht minder umwälzend für die Betriebe.
Homeoffice wird über Nacht der neue Standard
Viele Beschäftigten, die in einem Büro oder einem Kundencenter arbeiten, waren mit dieser Frage konfrontiert: Ab ins Homeoffice oder nicht? Unternehmen mussten innerhalb weniger Tage die Verlagerung von abertausenden Arbeitsplätzen in die Wohnungen ihrer Mitarbeiter organisieren. Ende 2019 waren nach einer Studie des Branchenverbands Bitkom nur 19 Prozent des Mittelstands für eine umfassende Digitalisierung der Büroarbeit gerüstet.
Was vor Corona unmöglich schien, ging nun im Eiltempo vonstatten. Hard- und Software wurden aufgerüstet, virtuelle Meeting-Tools, die die hohen Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit erfüllen, gesucht. Kundenhotlines in die privaten Arbeitszimmer der Republik umgeleitet. Papier und Aktenordner erwiesen sich als unpraktisch für dezentral arbeitende Teams, Clouds sind nun in deutlich mehr Firmen die Ablageorte der Wahl. Die Zusammenarbeit wird per Jira, Slack, Citrix oder mit Hilfe anderer Kollaborationstools organisiert.
Laut einer Umfrage von YouGov arbeitete Ende März 2020 jeder fünfte Erwerbstätige (22 Prozent) wegen des Coronavirus im Homeoffice oder in Telearbeit.
Händler eröffnen Webshops, beraten per Videochat
Auch viele Händler digitalisierten sich über Nacht: Einzelhändler eröffneten oder optimierten Webshops, installierten digitale Bezahlverfahren und überlegten sich neue Wege, um den Kontakt zu ihren Kunden zu halten, auch wenn sie ihre Läden schließen mussten.
Viele Menschen wollen gerade in der Krise Händler und Gastronomen in ihrer Nachbarschaft unterstützen. Digitale Angebote – auch in Kombination mit Abhol- oder Lieferservices – helfen ihnen dabei.
Manche Händler beraten ihre Kundinnen inzwischen per Whatsapp und Videochat. Auch wenn Geschäfte jetzt wieder geöffnet sind, werden viele der neuen Onlineshops und digitalen Services bleiben.
Mitarbeiter bilden sich per E-Learning weiter
Nicht nur Lehrer und Schüler, Professoren und Studierende setzen sich jetzt mit dem Lernen über die Distanz hinweg auseinander. Auch Unternehmen nutzen zunehmend Möglichkeiten, Mitarbeiter über E-Learning-Angebote weiterzubilden. Viele Angestellte sind in Kurzarbeit und haben plötzlich ein größeres Zeitbudget, das sich für Weiterbildung besonders sinnvoll nutzen lässt.
Die KfW schrieb kurz vor Beginn der Corona-Pandemie in einer Studie: „In den letzten Jahren hat die technische und didaktische Qualität digitaler Weiterbildungsangebote zugenommen.“ Der grundlegende Vorteil von Lernvideos, Apps & Co. sei, dass so zeit- und ortsunabhängiges Lernen möglich ist.
Corona führt dazu, dass der Markt weiter wächst. Auch nach Ende der Reise- und Kontaktbeschränkungen wird E-Learning wichtig bleiben.
Start-up-Mentalität erfasst den Mittelstand
Sich weiterzuentwickeln – das gilt in der Krise auch für die Chefs. Vor allem die Unternehmer selbst sind jetzt auf ihre Schaffenskraft zurückgeworfen, auf den Kern ihres Unternehmertums. Das alte Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr? Dann ist genau jetzt die Zeit, neu zu denken, Ideen umzusetzen, digital zu werden. Diese Start-up-Mentalität erfasst derzeit weite Teile des Mittelstands.
Alles wird auf den Prüfstand gestellt: Welche Produkte passen noch in die neue Zeit? Welche Unternehmensbereiche müssen umstrukturiert werden? Wie lassen sich die Lieferketten krisenfest aufstellen? Und ganz wichtig: Wie verändern sich die Kundenbedürfnisse?
7 digitale Trends, die auch nach der Krise weiterwirken
1. Die Menschen suchen online nach Gemeinschaft.
Solange kein Corona-Impfstoff für die breite Bevölkerung vorhanden ist, werden die Menschen auf Distanz bleiben. Die erlebte Gemeinschaft gewinnt deshalb an Wert. Online wird nach Alternativen für reale Gemeinschaftserlebnisse gesucht. Wer hier neue Angebote schafft, hat beste Chancen. Auch wenn Nähe im analogen Leben wieder möglich ist, wird der Trend zur digitalen Gemeinschaft bleiben.
2. Kunden fragen über digitale Kanäle alle Informationen, Services und Produkte ab.
Was in der Krise gut funktioniert hat, wird auch danach von vielen Kunden als selbstverständlich eingefordert werden. Wer künftig nicht das gewünschte Angebot in digitaler Form bekommt, sucht binnen Sekunden (zum Beispiel über Chats, Apps, oder Lockangebote) mit einem Wisch oder Klick nach andere Angeboten bei Marktteilnehmern. Das Handy ist dabei das wichtigste Entgerät.
3. Aber: Nicht jeder macht die Digitalisierung mit.
Corona hat eine Bevölkerung zwangsdigitalisiert, die zu fast 20 Prozent aus digitalen Abstinenzlern und zu 40 Prozent aus Gelegenheitsnutzern bestand. Die technischen Fähigkeiten wachsen nicht bei allen so schnell mit wie die unterstellte Selbstverständlichkeit, dass alle digital wollen und können. Abhängig von der jeweiligen Zielgruppe ist hier also eine differenzierte Ansprache nötig. Unternehmen haben allerdings nicht dieselbe Wahlfreiheit wie Verbraucher: Wer sich der Digitalisierung verweigert, wird vom Wettbewerb überholt.
4. Digitale Vorreiter bauen Marktposition weiter aus.
Getrieben durch die veränderten Bedürfnisse der Endnutzer müssen sich Unternehmen im Eiltempo digitalisieren, um nicht den Anschluss zu verlieren. Digitale Vorreiter – auch aus anderen Branchen – nutzen die Schwächen von Wettbewerbern, um ihre Marktposition auszubauen. Anbieter von Distanzleistungen sind die Gewinner der Krise. Nur wer schnell seine technischen Prozesse und Abläufe ändert, kann hier mithalten.
5. Die digitale Arbeitswelt bietet mehr Wahlfreiheit.
In der Krise haben viele Beschäftigte flexible Arbeitsformen, Zusammenarbeit aus dem Homeoffice und die Nutzung neuer digitaler Werkzeuge kennengelernt. Das geht nicht mehr weg. Für Geschäftsreisen wird in Zukunft viel seltener eine Notwendigkeit bestehen. Viele Arbeitnehmer werden sich in der Zeit nach Corona aussuchen können, ob sie zu Hause, in der Firma oder lieber im Café arbeiten.
6. Datentools und Organisationen, die Orientierung liefern, sind gefragter denn je.
In der Corona-Krise überschlugen sich die Nachrichten. Datenanalysen in Echtzeit sind inzwischen der Normalfall. Vorausschauendes Risikomanagement und die Fähigkeit, anderen schnell Orientierung geben zu können, wird mehr und mehr zum Wettbewerbsvorteil.
7. Die Roboter kommen schneller als gedacht.
In vielen Fällen ersetzen Roboter nun Menschen: Produkte werden vollautomatisiert gefertigt, Roboterarme reichen Corona-Teströhrchen durch Autofenster. Die Maschinen haben den Vorteil, dass ihnen ein Krankheitserreger nichts anhaben kann. Die Krise verleiht der Entwicklung und Verbreitung von Robotertechnik einen immensen Schwung.
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