Ab jetzt bitte nachhaltig

Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen voll auf das Thema Nachhaltigkeit setzen. Denn der Druck von Investoren, Kunden und selbst durch die Politik steigt.

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Viel deutlicher könnte das Zeichen kaum sein. Gleich 244 Unternehmen hat Blackrock im Sommer öffentlich ermahnt. Sie alle hätten nicht genügend Fortschritte beim Klimaschutz gemacht, verkündete der weltgrößte Vermögensverwalter. Bei 53 davon hat Blackrock zudem einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats oder dem ganzen Gremium die Zustimmung verweigert. Die übriggebliebenen 191 Unternehmen will Blackrock genau beobachten, und sich bei „bei fehlenden wesentlichen Fortschritten für 2021 ein negatives Votum gegen die Unternehmensführung vorbehalten”. 

Wer seine Firma nun nicht nachhaltig ausrichtet, der muss um seine Investorengelder fürchten, lautet die klare Botschaft von Blackrock an die Unternehmenswelt. Und der Vermögensverwalter ist nicht alleine. Auch Versicherer oder Pensionskassen fordern immer vehementer mehr Nachhaltigkeit von den Unternehmen ein. Das Sparkassenfondshaus Deka hat etwa angekündigt, weniger in Kohle zu investieren, weil dies kein Energieträger der Zukunft sei. Auch Union Investment oder das Deutsche-Bank-Fondhaus DWS setzen vermehrt auf Nachhaltigkeit.

Doch der Druck auf Unternehmen kommt nicht nur von institutionellen Investoren, sondern auch aus Gesellschaft und Politik. Auf den Straßen demonstriert Fridays for Future für eine radikale Klimapolitik, welche die Wirtschaftswelt völlig auf den Kopf stellen würde. Die Jugendbewegung zeigt damit eindrucksvoll auf, wofür die nächste Generation an Mitarbeitern und Kunden stehen wird. Gewinnmaximierung darf nicht mehr das übergeordnete Ziel sein. Die Europäische Union will zudem bis 2050 klimaneutral sein, der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen daher ausgerufene Green Deal ist das große neue Projekt der Staatengemeinschaft. Bereits bis 2030 soll der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent sinken.

Vor einer besonderen Herausforderung stehen damit zum Beispiel Unternehmen, deren Geschäft bisher besonders CO2-lastig war. Dazu zählen auch Energieversorger wie RWE. Der Konzern, häufig in den Schlagzeilen wegen des Braunkohleabbaus und der Proteste um den Hambacher Forst, hat unter anderem ein Umweltmanagementsystem eingerichtet. Dazu gehören Verantwortliche für Umwelt in den Geschäftsführungen der verschiedenen RWE-Gesellschaften. Sie sollen dabei helfen, schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren zu vermeiden.

Wie der Energiesektor der Zukunft aussehen kann, zeigen auch virtuelle Kraftwerke auf. Das Kölner Unternehmen Next Kraftwerke etwa betreibt nach eigenen Angaben eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas. Es vernetzt dazu Stromproduzenten wie Biogas-, Wind- und Solaranlagen, sowie gewerbliche und industrielle Stromverbraucher und Stromspeicher. Die Idee: Auch, wenn einmal die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht, sollen Nutzer grünen Strom beziehen können. 

Dabei geht es beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur um das Klima. Zu den ESG-Kriterien gehören neben Umwelt (Environment), eben auch Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) – auch wenn diese beiden Punkte zumindest in der öffentlichen Debatte regelmäßig weniger Beachtung finden. Daher gehören neben etwa der Höhe des Energieeinsatzes oder dem Emissionsausstoß, den ein Unternehmen verursacht, auch der Einsatz für Chancengleichheit und Diversität, das Einstehen für ein Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie eine feste Verankerung des Themas Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie.

Bereits 2005 hatte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan die Festlegung von Prinzipien für verantwortliches Investieren initiiert. Die Unterzeichner der UN Principles for Responsible Investment verpflichteten sich freiwillig und unverbindlich, diese Leitmotive zu achten. Dazu streben sie unter anderem an, die ESG-Kriterien bei Investmententscheidungen zu berücksichtigen, sich als Anteilseigner aktiv zu engagieren und Transparenz bezüglich ESG-Themen einzufordern. Bis September 2019 hatten sich dem bereits rund 2.500 Vermögensverwalter, -inhaber und -dienstleister, die über ein Anlagekapital in Höhe von über 86 Billionen Dollar verfügen, verschrieben. Doch Freiwilligkeit wird in Zukunft kaum noch reichen. 

Um den Green Deal voranzutreiben, setzt die EU auf ein nachhaltiges Finanzwesen (Sustainable Finance). Sie will den Finanzsektor insgesamt in die Richtung drängen, in der Blackrock schon unterwegs ist: Nachhaltige Geschäftsmodelle sollen stärker mit privaten Geldern unterstützt werden. Das Regelwerk sieht zum Beispiel vor, dass jede Kapitalverwaltungsgesellschaft ab März 2021 Informationen zum Thema ESG veröffentlichen muss. Finanzmarktteilnehmer müssen damit zum Beispiel kenntlich machen, wie sie ESG-Kriterien in ihre Investitionsentscheidungen integrieren. 

Verstärkt wird das Thema durch Green Bonds, die immer wichtiger werden, um frisches Geld am Kapitalmarkt einzusammeln. Noch ist der Markt für das Finanzinstrument, dessen Erlöse nur für nachhaltige Projekte verwendet werden dürfen, zwar sehr jung – doch erfreuen sich die grünen Anleihen einer immer weiter steigenden Beliebtheit. Im Rahmen des Green Deals plant die EU, für sie einen einheitlichen Standard einzuführen. 

Am Ende soll es mit der sogenannten Taxonomie klar definierte Kriterien zum Thema Nachhaltigkeit geben. Es ist, wie die EU schreibt, „ein neues gemeinsames Klassifizierungssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten, das Anleger überall verwenden können, wenn sie in Projekte und Wirtschaftstätigkeiten mit erheblichen positiven Klima- und Umweltauswirkungen investieren wollen“.

Das System ist damit nicht nur für Unternehmen und Investoren bedeutsam, sondern auch für Anleger. Denn noch kann etwa jeder Fondsmanager für sich selbst entscheiden, wie er Nachhaltigkeit definiert. Privatanlegern bleibt bisher nichts anderes übrig, als sich bei jedem Produkt über die dahinterstehenden Nachhaltigkeitskriterien zu informieren.

Um Greenwashing – und damit den Versuch, Finanzprodukte als nachhaltig darzustellen, die es gar nicht sind – zu verhindern, plant die EU daher eine Ampel einzuführen. „Grün“ steht dann für Produkte, die einen positiven Beitrag für den Klimaschutz leisten, ohne gleichzeitig in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden. Die anderen beiden Stufen bezeichnet die EU als „Transition“ und „Enabling“. Unter Transition versteht sie dabei Produkte, die zwar nicht im Einklang mit einer klimaneutralen Welt stehen, aber aktuell die beste Lösung sind. Darunter könnten zum Beispiel verbesserte Verbrennungsmotoren fallen. Enabling bezieht sich auf Aktivitäten, die zwar grundsätzlich nicht umweltfreundlich sind, aber zu einem Produkt aus den ersten beiden Stufen führen können – wie etwa die Produktion eines Windrades. 

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