RWE wird klimaneutral

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden – ein ehrgeiziges Ziel. Um es zu erreichen, muss der Treibhausgasausstoß in allen Bereichen massiv sinken, sei es Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Gebäudesektor oder Agrarwirtschaft. RWE, einer der größten Stromproduzenten in der EU, will dazu beitragen und hat sich selbst das Ziel gesetzt, bereits innerhalb von 20 Jahren klimaneutral zu werden. Wie sieht der Weg dahin aus?

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Jens Wiggershaus bringt es auf den Punkt: „Bis 2040 sind wir klimaneutral”, sagt der Leiter für Corporate Responsibilty bei RWE – und beschreibt den Fahrplan. Der Energiekonzern steigt bis 2038 aus der Kohle aus und legt dazu alle Kohlekraftwerke und Tagebaue still. Parallel investiert das Unternehmen massiv in den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft. Letzteres auch um unter anderem perspektivisch eigene Gaskraftwerke mit grünem Gas betreiben zu können.

„Das ist der größte Umbruch in der Geschichte unseres Unternehmens”, sagt Jens Wiggershaus. „Aber ständiger Wandel gehört zu unserer DNA.” Und Wandel musste RWE in den vergangenen 120 Jahren ihres Bestehens schon häufiger durchmachen.

2016 brachte der Konzern seine Tochter innogy an die Börse – und bündelte darin das Kunden- und Netzgeschäft sowie die erneuerbaren Energien. Durch den Börsengang wurde innogy aus dem Stand zu einem der wertvollsten deutschen Energieunternehmen. Der Börsengang war aus der Notwendigkeit geboren, die Zahlungsverpflichtungen für den Kernenergiefonds zu bedienen. In der Folge beschäftigte sich RWE intensiv mit der Frage: Wie soll unser künftiges Geschäft aussehen? Und entschied sich darauf aufbauend 2017, voll auf die Erneuerbaren Energien zu setzen.

Im März 2018 verkündete RWE dann ein spektakuläres Tauschgeschäft. Das Unternehmen gab die Mehrheit an innogy an den Konkurrenten E.ON. Dieser übertrug im Gegenzug das Geschäft mit erneuerbaren Energien von innogy und E.ON sowie weitere Assets an RWE; im gleichen Zug wurde RWE Aktionär bei E.ON. Mit dem Vollzug der Transaktion wurde der Konzern im Herbst 2019 schlagartig zur Nummer drei bei erneuerbaren Energien in Europa und zur Nummer zwei bei der Erzeugung von Offshore-Windkraft weltweit. Gleichzeitig verkündete RWE, sich auf erneuerbare Energien zu fokussieren mit dem Ziel „Klimaneutralität bis 2040“. Heute stammen bereits 25 % des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen, der Anteil des Kohlestroms ist auf 30 % gesunken. Und die weiteren Schritte sind bereits definiert.

Bis 2038 spätestens wird der Konzern in Deutschland die Kohleverstromung beenden, so hat es die Bundesregierung im Sommer per Gesetz beschlossenen. „Das erste Braunkohlekraftwerk in Deutschland wollen wir bereits Ende dieses Jahres stilllegen”, sagt Wiggershaus. Nach 2030 wird RWE dann nur noch drei große Braunkohlenblöcke in Deutschland nutzen. In Großbritannien wurde der Ausstieg aus der Kohle bereits vollzogen; in den Niederlanden werden die zwei noch betriebenen Kohlekraftwerke teilweise mit Biomasse betrieben und weiter umgerüstet. „Allein zwischen 2012 und 2019 haben wir unseren CO2-Ausstoß halbiert. Bis 2030 werden wir ihn dann um 75 % reduziert haben“, so Jens Wiggershaus.

Die Transformation ist bereits am wirtschaftlichen Ergebnis ablesbar: „Mehr als die Hälfte kommt heute aus dem Erneuerbaren-Bereich”, sagt Wiggershaus. Und dieser soll weiter wachsen. Dazu investiert RWE allein bis 2022 rund 5 Milliarden Euro netto weltweit in den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen sowie Speichern, 85 % der Investitionen entsprechen bereits den im Entwurf einer EU-Taxonomie vorliegenden Kriterien für grüne Investitionen.

Für RWE ist das Ziel der Klimaneutralität integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. „Weltweit sind sich alle einig, dass wir die Treibhausgas-Emissionen verringern müssen, über den Weg dahin gibt es aber unterschiedliche Auffassungen”, sagt Wiggershaus. Auch wenn RWE Tempo macht bei ihrer Transformation, geht das einigen Umweltschutzorganisationen nicht weit genug. Sie fordern ein früheres Ende der Kohle. Wiggershaus hält dagegen. Auch wenn etwas wünschenswert sei, müsse es umsetzbar sein. „Zurecht liegt der Klimaschutz im Fokus der Debatte, wir müssen in Deutschland aber auch Versorgungssicherheit und den strukturellen Wandel der Regionen betrachten. All diese Aspekte wurden in der Kohlekommission betrachtet und diskutiert und am Ende stand ein von allen getragener Kompromiss.“ Er verweist auf die Vereinbarung mit der Bundesregierung. Darin steht als Enddatum 2038. Dieses Datum kann zu bestimmten Überprüfungszeitpunkten auf 2035 vorgezogen werden, wenn Deutschland bei der Energiewende schneller voran kommt. „Anstatt weiter über die Verschärfung von Zielen zu diskutieren, müssen wir in Deutschland vor allem zusehen, dass die ehrgeizigen Ausbauziele für Erneuerbare auch erreicht werden”, sagt Wiggershaus. „Das Tempo des Ausstiegs hängt vom Ausbau der Erneuerbaren, der Speicher und der Netze ab. Je schneller wir hier voran kommen, desto eher kann Deutschland auf Kohlestrom verzichten und desto schneller werden wir unsere Emissionen reduzieren können.“

Investoren bewerten die Entwicklungen bei RWE positiv. So hat kürzlich die renommierte britische Transition Pathway Initiative RWE erstmals bestätigt, dass die ambitionierten Vorhaben im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens stehen. Das Unternehmen liegt bei vielen Nachhaltigkeitsrankings im oberen Drittel. Henrik Pontzen, Abteilungsleiter für nachhaltige Anlagekriterien bei der Union Investment, sieht in RWE gar „ein Paradebeispiel für gelungene Transformation”. Wenn der Konzern konsequent weiter umsetzt, was er angekündigt hat, dann blicke er einer prosperierenden Zukunft entgegen.

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