Grüne Unternehmensfinanzierung

Der Werkzeugkasten wächst

19. Mai 2021 - 7 Min. Lesezeit

Green Bonds sind von einer Randerscheinung zu einem zentralen Mittel für die Unternehmensfinanzierung geworden. Doch sie reichen nicht aus, um die gesamte Finanzierungspalette einer Firma nachhaltig zu gestalten. Finanzmarktteilnehmer nehmen deswegen zunehmend neue Lösungen ins Portfolio.

Der Rockgitarrist Paul Kantner soll einmal gesagt haben, dass San Francisco aus 49 Quadratmeilen bestehen würde, die „von der Realität umgeben sind“. Faktisch ist die Stadt an der US-amerikanischen Westküste zwar nur gut 46 Quadratmeilen groß, aber Kantners Aussage war auch weniger mathematisch zu verstehen: Der „Jefferson Airplane“-Frontmann wollte sagen, dass San Francisco eben eine eher surreale Kommune sei, die mit dem Rest des Landes – und vermutlich der Welt – wenig zu tun habe.

Entsprechend schätzten es viele als typisch ein, als die Stadt im Jahr 2001 beschloss, eine Anleihe herauszugeben, um einen massiven Ausbau von Solarpanels zu finanzieren. Die „Los Angeles Times “ bemerkte süffisant, dass dieser auf Sonnenschein ausgerichtete Plan aus einer Stadt komme, die vor allem für ihre Nebelbänke bekannt sei.

Doch 20 Jahre später muss man festhalten, dass die 46 Quadratmeilen in Kalifornien dieses Mal nicht an der Realität vorbeidachten, sondern der umliegenden Realität voraus waren. Faktisch legte San Francisco nämlich den ersten Green Bond der Geschichte auf. Viele Städte, Länder und Unternehmen sind mittlerweile dem Beispiel gefolgt, der Markt für grüne Anleihen war 2020 auf 700 Milliarden US-Dollar angewachsen.

Der Green Bond ist aber nur das erste in einer immer längeren Liste von Finanzierungsinstrumenten, die sich nicht nur um die reine Kapitalbeschaffung drehen, sondern auch gesellschaftlich relevante Aspekte fördern sollen. ESG steht immer mehr im Mittelpunkt: Environment, Social, Governance. Für Unternehmen wird diese Art der Finanzierung immer wichtiger. Und Banken haben mittlerweile eine ganze Reihe von Produkten ins Portfolio genommen, die eine komplett nachhaltige Kreditbeschaffung ermöglichen sollen. Es gibt Green Bonds, Social Bonds, Sustainability Bonds, Sustainability-Linked Bonds, außerdem nach ESG-Kriterien aufgelegte Kredite und Schuldscheindarlehen.

Worin genau unterscheiden sich diese auf den ersten Blick ähnlich klingenden Instrumente? Ein Überblick:

Green Bonds

Green Bonds sind der Klassiker unter den nachhaltigen Finanzierungen. Hinter dem Namen verbergen sich meist einfache, fest verzinste Anleihen oder ein forderungsbesichertes Wertpapier, gleichrangig zu sonstigen, „regulären“ Anleihen. 

Oft heißen sie auch Climate Bonds, denn meist werden sie eingesetzt, um Klimaschutz zu finanzieren. Die International Capital Market Association (ICMA), der Branchenverband der Kapitalmarktteilnehmer, hat in ihren Green Bond Principles festgelegt, dass das Geld aus diesen Anleihen in Projekte fließen soll, die dem Umweltschutz dienen. Diese Prinzipien sind nicht verpflichtend, gelten aber als wichtige Richtlinie, an der sich Emittenten und Investoren orientieren können.

Meistens nutzen Unternehmen Green Bonds, um Projekte rund um erneuerbare Energien zu finanzieren, etwa Solaranlagen. Auch Gebäudesanierungen oder umweltfreundlichere Transportmöglichkeiten für die Mitarbeiter sind Maßnahmen, die den Green Bond Principles entsprechen.

Social Bonds

Social Bonds waren im Gegensatz zu ihren grünen Gegenstücken lange eher unwichtig. 2019 gab es lediglich Social-Bond-Emissionen im Wert von 19 Milliarden US-Dollar. Doch im vergangenen Jahr explodierte der Markt regelrecht, nun gaben Emittenten Bonds im Wert von 141 Milliarden US-Dollar aus.

Der Hauptgrund für diesen Sprung ist die Coronapandemie, die vor allem Menschen hart getroffen hat, die bereits vorher in prekären Verhältnissen lebten. Denn diese sozialen Anleihen dienen vor allem dazu, Vorhaben zu ermöglichen, die benachteiligten Gruppen helfen sollen. Von der Pandemie betroffene Menschen gehören zweifellos dazu, wenn man den entsprechenden Richtlinien folgt, die ebenfalls die ICMA vorgibt. Das SURE-Programm der Europäischen Union (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency) soll etwa mithilfe von Social Bonds finanziert werden.

Grundsätzlich sind Social Bonds eher ein Finanzinstrument für den öffentlichen Sektor, auch wenn in der Theorie nichts dagegenspricht, dass ein Unternehmen einen solchen emittiert. Auf dem Firmenanleihenmarkt hat sich aber mittlerweile der Sustainability-Linked Bonds etabliert (s. unten).
Der französische Lebensmittelkonzern Danone gab 2017 einen der wenigen Corporate-Social-Bonds heraus. Die eingenommenen 300 Millionen Euro will Danone vor allem in die Erforschung und Entwicklung medizinischer Ernährung sowie nachhaltige Produktionsbedingungen investieren.

Sustainability Bonds

Sustainability Bonds sind eine Zwitterform aus sozialen und grünen Anleihen. Entsprechend den ICMA-Vorgaben können sie für Projekte eingesetzt werden, die Auswirkungen in beiden Bereichen haben. Auch diese Bonds werden immer beliebter, 2020 lag das Emissionsvolumen bei 79 Milliarden US-Dollar, etwa doppelt so viel wie im Vorjahr. Oft sind es große Finanzdienstleister, die diese Anleihen ausgeben, in der Vergangenheit unter anderem JP Morgan, Goldman Sachs und die Bank of America. Mit dem Geld finanzieren sie dann zum Beispiel Projekte im Bereich erneuerbare Energien oder sozialer Wohnungsbau.

Den bisher größten Sustainability Bond gab vergangenes Jahr die Google-Muttergesellschaft Alphabet aus. Die 5,75 Milliarden US-Dollar schwere Anleihe war nach Unternehmensangaben signifikant überzeichnet, das Geld soll unter anderem in die Energieeffizienz des Unternehmens und in den Bau smarter Bürogebäude fließen. 

Sustainability-Linked Bonds

Anders strukturiert sind Sustainability-Linked Bonds. Bei diesen ändern sich die finanziellen und strukturellen Bedingungen der Anleihe abhängig davon, ob der Emittent gewisse übergeordnete Unternehmensziele erreicht. Bereits im Vorhinein legt er dafür fest, welche Nachhaltigkeitsziele er erreichen will und welche KPIs herangezogen werden, um festzulegen, ob das Ziel erreicht wurde. Oft sind es externe Agenturen, die diese KPIs überprüfen und so den Zeichnern der Anleihe Transparenz bieten. 

Bei Sustainability-Linked Bonds gibt es keine „Use of Proceeds”-Klausel. Die Unternehmen sind also nicht verpflichtet, das Geld nur für ESG-Projekte einzusetzen, sie können das Kapital auch für allgemeine Geschäftsausgaben nutzen. Sollten sie allerdings ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen, steigt zum Beispiel der Zins auf die Anleihe.

Den ersten Sustainability-Linked Bonds gab 2019 der italienische Energiekonzern ENEL heraus. Die Firma verpflichtete sich dazu, bis zum 31. Dezember dieses Jahres 55 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren. Sollte das Ziel nicht erreicht werden, erhöht sich der Zins um 25 Basispunkte.

Transition Bonds

Für Unternehmen, die in eher umweltschädlichen Branchen aktiv sind, ist es vergleichsweise schwierig, auf nachhaltige Finanzierungsinstrumente zurückzugreifen. Oft stecken sie in einem Wandlungsprozess, der es ihnen unmöglich macht, kurzfristig hochgesteckte ESG-Ziele zu erreichen. Energieproduzenten und Firmen aus der Autoindustrie fallen hierunter.

Für sie können Transition Bonds eine Lösung sein, die der Transformation von Geschäftsmodellen dienen. Dafür müssen die Emittenten ihre Strategie für den Wandel offenlegen und im Idealfall von externen Prüfern überwachen lassen. Transition Bonds können sowohl mit dem „Use of Proceeds“-Prinzip als auch mit freier Kapitalnutzung verknüpft sein.

Kritiker hielten das Instrument lange für eine Gelegenheit zum „Greenwashing“, vor allem, weil internationale Standards für Transition Bonds fehlten. Mittlerweile hat die ICMA allerdings ein erstes Regelwerk vorgelegt, dass die Wirksamkeit von Transition Bonds garantieren soll. Das zuständige Expertenkomitee fordert unter anderem, dass die vom Unternehmen ausgegebenen Transformationspläne messbar, wissenschaftsbasierend und an Zwischenziele gekoppelt sein müssen. 

Bisher spielen Transition Bonds eher eine Nebenrolle bei der Unternehmensfinanzierung. Die Climate Bonds Initiative zählte 2020 gerade einmal elf solcher Anleihen. Ausgegeben wurden sie unter anderem vom Hongkonger Kohlekraftwerk Castle Peak Power und vom italienischen Erdgaskonzern Snam.

Kredite

Nicht jedes Unternehmen geht zur Finanzierung gerne über den Bondmarkt, weswegen sich auch ESG-Linked Loans – und damit Kredite – zunehmend einer großen Beliebtheit erfreuen. Im Prinzip funktionieren sie genauso wie die Sustainability-Linked Bonds: Die Unternehmen verpflichten sich dazu, bestimmte Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen, im Gegenzug erhalten sie Geld von Banken.

Oft koppeln die Firmen den Zinssatz des Kredits an ein Nachhaltigkeitsrating, das eine externe Agentur vergibt. So ging etwa die REWE Group vor, die sich im April dieses Jahres einen entsprechenden Kredit über 750 Millionen Euro sicherte. Vorreiter in diesem Bereich in Deutschland ist Henkel, das bereits Ende 2018 einen ESG-Linked Loan abschloss.

Schuldscheindarlehen

Zu guter Letzt gibt es mittlerweile auch Schuldscheindarlehen, deren Zinssätze an die ESG-Performance eines Unternehmens gekoppelt werden. Schuldscheindarlehen ähneln Anleihen, sind aber etwas anders strukturiert, vor allem sind sie kein Wertpapier im klassischen Sinne.

Das erste Unternehmen, das auf ein solches Instrument setzte, war 2019 der deutsche Maschinenbauer Dürr. Die Verzinsung koppelte die Firma an das Nachhaltigkeitsrating einer Agentur. Insgesamt sammelte Dürr so 200 Millionen Euro ein.